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(...) Marina Schulze arbeitet in Serien. Vielfach variiert sie die verschiedenen Themen und steigert dabei ihr ohnehin schon herausragendes malerisches Vermögen. Man spürt die Lust an der Malerei in allen Arbeiten, seien es nun beispielsweise kleine Formate in Öl auf Papier oder große Leinwände. Sie konzentriert sich dabei auf das Detail, den Ausschnitt. So nah geht sie ran, dass man als Betrachter nicht immer ohne weiteres erkennt, worum es geht. Vielleicht ist es aber auch nicht wirklich wichtig zu wissen, dass es sich bei Strukturen, die an eine Stein- oder Sandwüste denken lassen, um die Oberfläche von Raufasertapeten 2006/07 handelt. Fein moduliert werden die geringen Höhenunterschiede zu einem Feld, auf dem das Auge behaglich herumwandern und sich entspannen kann. Wohltuend und doch völlig unspektakulär wie auch die Wassertropfen, die all over eine große Leinwand bedecken. Nur durch die auch in der Malerei spürbare Oberflächenspannung, wie durch eine Haut zusammengehalten, haften die einzelnen Tropfen auf dem Glas. Da lag es für die Malerin offensichtlich nahe, Wasseroberfläche selbst zum Thema zu machen 2007/08. Diese fügt sich formatfüllend gut ein in die Reihe der gemalten Strukturen, bildet jedoch in ihrer vielfältigen Bewegtheit eine klare Gegenposition. Schnell verbindet sich diesmal das gemalte Bild mit den inneren Bildern der Erinnerung an einen Strand oder Bach- oder Flusslauf, an ruhiges oder kabbeliges Wasser. Die sich scheinbar ständig verändernde, letztlich aber auch geschlossene Oberfläche des Wassers lässt in die Tiefe blicken und reflektiert das Tageslicht. Nicht ohne Grund sind „Seestücke“ schon seit Jahrhunderten ein beliebtes Thema der Kunstgeschichte. Diese hatten jedoch zumindest immer einen Horizont, um sie als Teil der Landschaft kenntlich zu machen. Doch darum geht es Marina Schulze eben nicht.
Ihr geht es um Malerei, virtuose Malerei. Und dafür findet sie ab 2008 ein neues bildnerisches Feld. Zunächst ist es auch wieder die Haut, die ihr neues thematisches Objekt überzieht: Die rote schrundige Haut des Fliegenpilzes. Obwohl auch diesmal flächenfüllend, wird der Pilz durch die perspektivische Draufsicht der Malerei sofort erkennbar. Und wie bei dem richtigen Fliegenpilz ist man angezogen von dem intensiven lebenssprühenden Rot, spürt instinktiv aber auch die Gefahr, die dieses Rot zugleich signalisiert. Und dann geht Marina Schulze wieder einen Schritt weiter. Sie verändert die Perspektive und blickt dem Pilz unter das Dach. Sie zeigt, wie der Hut auf dem Stiel sitzt, ist aber vor allem fasziniert von den Lamellen, die, hautdünn und schon durch geringe Berührung leicht zerstörbar, dennoch diesen Hut stabilisieren. Und so ist auch ihre Malerei angelegt: Kraftstrotzend in der Farbigkeit, doch filigran und sorgfältig der Form folgend. Sie moduliert die klare Struktur der Lamellen bis in die nicht mehr wahrnehmbare Tiefe präzise nachvollziehbar aus, mit beinahe wissenschaftlicher Genauigkeit. Und doch ist es eine Malerei, die das Weiche des Materials, seine Verletzlichkeit, ja auch seine Vergänglichkeit immer mit spüren lässt. Das oft riesige Format lässt den Betrachter hin und hergerissen sein zwischen dem Staunen über die malerische und vor allem farbliche Brillanz der Bilder und dem Ahnen von dem fürsorglichen Schutz, den die Malerin ihrem „Modell“ angedeihen lässt. Nur gelegentlich lässt sie seine Zerstörung zu und gibt durch eine herausgebrochene Lücke im Hut des Pilzes einen Blick auf den Himmel frei. So schwankt diese Bilderserie zwischen struktureller Abstraktion und landschaftlicher Adaption. (...)
Textauszug aus „Blow up“
von Heiner Schepers, Juli 2010
Geboren 1973 in Delmenhorst, lebt und arbeitet in Ganderkesee und Bremen.
www.marinaschulze.de
1991–1994
Ausbildung als Schauwerbegestalterin
1996–1998
Studium Freie Bildende Kunst, Fachhochschule Ottersberg
1999–2004
Hochschule für Künste Bremen bei Karin Kneffel und Katharina Grosse
2001
Preis der Nordwestkunst 2001, Kunsthalle Wilhelmshaven
2001–2005
Stipendium, Cusanuswerk, Bonn
2003
Studium Iceland Academy of the Arts Reykjavík, Island
2004–2005
Wohn- und Arbeitsstipendium Künstlerstätte Stuhr-Heiligenrode
2005
Meisterschülerabschluss bei Karin Kneffel
2006
Residenzstipendium Berlin, Der Senator für Kultur, Bremen
2007
DAAD-Stipendium für Island
Residenzstipendium Korpulfsta∂ir SÍM, Reykjavík, Island
2011
Arbeitsstipendium, Stiftung Kunstfonds, Bonn
2015
Zweistromkunst e.V., York
Braun Falco Galerie, München
2014
Keine Tiefe ohne Oberfläche, Künstlerhaus Göttingen (K)
2013
Unfassbar, Braun-Falco Galerie, München
2012
FLÜCHTIG, Galerie Beim Steinernen Kreuz, Bremen (mit Norbert Bauer)
Galerie Alte Wache, Cuxhaven
2010
Blow up, Burg Kniphausen, Wilhelmshaven und Galerie Epikur, Wuppertal (K)
2009
Painted Room, Gallery Spanien 19 C, Aarhus, Dänemark (K)
Anatomy of the Other, Titanik Gallery, Turku, Finnland und Anatomy of Condition,
Artcenter Mältinranta, Tampere, Finnland (beide mit Heini Matveinen)
2015
Reflets dans léau - Reflexe im Wasser, Project Room Rue Sans Fraise, Paris, Frankreich
15 Jahre Preis der Nordwestkunst, Kunsthalle Wilhelmshaven
Sichtung I, Städtische Galerie Eichenmüllerhaus, Lemgo
2014
Karin Kneffel und Meisterschüler, Städtische Galerie Eichenmüllerhaus, Lemgo
ART UP YOUR LIFE, Kunstmuseum Bremerhaven
Notausgang am Horizont, Kunstfrühling 2014, Güterbahnhof, Bremen (K)
MALcollection Ger van Dam, Drents Museum, Assen
2013
Head and Shoulders, Städtische Galerie Delmenhorst
2012
GO WEST – (expeditionists), AREA 405, Baltimore / MD, USA
{res·i·dence} – Junge Kunst aus Niedersachsen, Syker Vorwerk, Syke (K)
Ab in die Ecke, Städtische Galerie Delmenhorst (K)
2011
two-gether, Bremer Landesvertretung in Brüssel, Belgien (K)
Realismus, Schein oder Wirklichkeit, orth für aktuelle Kunst, Offenbach am Main (K)
2010
Leinen los!, Kunstverein Hannover (K)
2009
Bildschön, Städtische Galerie Karlsruhe (K)